Skip to main content

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Die Heilige Jungfrau zuechtigt thumbFest der Heiligen Familie

Heil oder heilig – idyllisch oder illusionslos?

Für Jesus war die Familie keine heile Welt - wie für viele auch heute nicht. Aber für die meisten Menschen ist die Familie der Raum, wo ihre Menschwerdung beginnt. Heilig kann sie dann werden, wenn Gott in ihr aufgenommen wird.

Liturgie zwischen Familienideal und christlichem Realismus

Das Tagesgebet des Festtages spricht vom „leuchtenden Vorbild", das uns durch die heilige Familie geschenkt ist. Es bittet für die heutigen Familien um die Gnade der „Frömmigkeit und Eintracht" und eine Verbindung in Liebe. Dieses Familienideal wird durch das Gebet aber auch geöffnet und ausgeweitet, wenn es heißt: „Führe uns alle zur ewigen Gemeinschaft in deinem Vaterhaus." Durch diese Bitte wird deutlich, dass die irdische Wirklichkeit und damit auch die Familie nicht alles ist. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft, die zu jedem Menschenleben dazu gehört, kann von keiner Familie auf Erden vollständig erfüllt werden. Mit der Bitte um die ewige Gemeinschaft bei Gott eröffnet das Tagesgebet daher eine andere Perspektive: die der Gotteskindschaft.
Ähnliche Gedanken drückt das Schlussgebet aus: „Bleibe bei uns mit deiner Gnade, damit wir das Vorbild der Heiligen Familie nachahmen und nach der Mühsal dieses Lebens in ihrer Gemeinschaft das Erbe erlangen, das du deinen Kindern bereitet hast." Offensichtlich gehört zur Mühsal dieses Lebens auch das konkrete Zusammenleben in einer menschlichen Familie.

Keine gewöhnliche Familie – oder doch?

Von der Kindheit Jesu und der heiligen Familie in Nazareth wissen wir herzlich wenig. Was uns die Evangelien erzählen, ist keineswegs idyllisch. In der Erzählung von der Flucht nach Ägypten (Matthäus 2,13-15.19-23 = Evangelium im Lesejahr A) erfahren wir von einer bedrohten Familie, die vor staatlicher Gewalt und Repression in die Fremde ausweicht. Bei der Darstellung Jesu im Tempel (Lukas 2,22-40 = Evangelium im Lesejahr B) preist der greise Simeon zwar das Jesuskind als Heil der Völker und Licht, das die Heiden erleuchtet. Er spricht aber auch von Jesus als einem Zeichen, dem widersprochen wird. Selbst die Kreuzigung kommt schon in den Blick. Im Evangelium des Lesejahr C (Lukas 2,41-52) hören wir, wie sich der zwölfjährige Jesus von seinen Eltern distanziert: Er bleibt ungefragt im Jerusalemer Tempel zurück und erwidert das den besorgtem Eltern, dass er „in dem sein muss, was meinem Vater gehört". Auch wenn am Ende davon die Rede ist, dass Jesus gehorsam mit nach Nazareth zurückkehrte, heranwuchs und an Weisheit zunahm, wird deutlich: Selbst zur Heiligen Familie gehören Erfahrungen wie Aufbrechen, Loslassen, Trennungsschmerz und Leid – nicht anders als es früher oder später, in der einen oder in der anderen Form zur Wirklichkeit jeder Familie gehört.

Die neue Gottesfamilie

Jesus hatte nach dem Zeugnis der Evangelien ein befremdlich distanziertes Verhältnis zu seiner Familie. Er lässt seine Familie draussen stehen und sagt: „Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter" (Markus 3,35). Er ruft zur radikalen Nachfolge auf und verheisst denen, die seinetwegen „und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen" (Markus 10,29), eine neue Familie und das ewige Leben. Diese neue Beziehung bestimmt sich ganz von Gott her, den die Jünger und Jüngerinnen „unser Vater" nennen dürfen. Von da her sind sie alle untereinander Schwestern und Brüder, unabhängig von ihrer sozialen oder auch familiären Stellung. Jesus stellt die Verhältnisse sogar so auf den Kopf, dass für ihn Kinder zum religiösen Vorbild für Erwachsene werden: „Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen" (Matthäus 18,3). Diese gelebte Gotteskindschaft führt wieder zurück zum Weihnachtsfest und zum Geheimnis der Menschwerdung Gottes.

Die Familie, ein entscheidender Ort der Menschwerdung

Das Fest der Heiligen Familie gehört zu den Begleitfesten, welche den Gehalt des Weihnachtsfestes ausfalten und auskosten. Es geht an diesem Fest genauso wie an Weihnachten um die Inkarnation, die Menschwerdung des Gottessohnes Jesus Christus. Mensch-Werdung geschieht aber grundlegend in der Beziehung einer menschlichen Familie und durch die Begleitung menschlicher Eltern. Die Familie bildet nach wie vor für die meisten Menschen den sozialen und emotionalen Rahmen, welcher das menschliche Leben prägt und gestaltet, ihm aufhilft und zu seiner Entfaltung beiträgt. In ihr lernen die Familienmitglieder Glauben und Vertrauen, Liebe und Barmherzigkeit. Leider bleibt jedoch vielen Menschen die Erfahrung nicht erspart, dass die Familie kaum zu ihrer menschlichen Entfaltung beitrug. Die Familie kann beides mit auf den Weg geben: Helles und Dunkles. So oder so – der Weg zur eigenen Menschwerdung und persönlichen Entwicklung ist von ihr bestimmt und nimmt von ihr her den Fortgang.
Mensch-Werdung geschieht – wenn man so will – wesentlich nach der Geburt und bleibt ein Prozess, der wohl bis zum Tod nicht vollständig abgeschlossen ist. Insofern blickt das Fest der heiligen Familie nicht nur auf das Jesuskind, sondern auch auf Maria und Josef. Man kann sich fragen, wie ihr Glaube und Vertrauen auf Gott durch ihren Sohn herausgefordert wurden und wuchsen. So ist am Fest der Heiligen Familie nicht nur die Beziehung der Kinder zu ihren Eltern im Blick. Das Beispiel der Heiligen Familie kann für alle Eltern heute eine Ermutigung werden, ihren Glauben vom Glaubensweg der Kinder anfragen und herausfordern zu lassen.

Leben in Gemeinschaft mit dem Vater im Himmel

Die Evangelien des Festes der Heiligen Familien sperren sich also gegen eine Idealisierung der heiligen Familie. Sie sind wenig geeignet, zu pädagogischen Zwecken missbraucht zu werden. Dennoch stellen sie an die gottesdienstliche Gemeinde die Frage, wie und wo Menschen ihre Gotteskindschaft konkret lernen und einüben können. Auf diesem Hintergrund sprechen die Mahnungen der neutestamentlichen „Haustafeln", welche ganz in der antiken Welt verwurzelt sind, vielleicht wieder neu: „Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!" (Kolosserbrief, 3,13 = 2. Lesung). Wie damals sind auch heute christliche Familien herausgefordert, das Miteinander im Blick auf Gott, den Vater aller, zu leben und zu gestalten. Die Familie bleibt ein entscheidender Ort, wo Erbarmen, Güte und Liebe erfahren und geübt werden können und sich bewähren müssen. Gerade diese Mahnungen sprechen nicht von und zu „heilen" Familien, aber zu Familien, die sich Gott und seiner Heiligkeit öffnen.

P. Gregor Brazerol OSB

 

Stichwort

  • Das Fest der Heiligen Familie geht auf Papst Leo XIII. zurück, wurde aber erst 1920 von Benedikt XV. für die ganze römische Kirche verbindlich eingeführt.
  • Nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanums wurde das Fest auf den Sonntag nach Weihnachten gelegt. Gibt es keinen Sonntag zwischen Weihnachten und Neujahr, so wird das Fest am 30. Dezember begangen.
  • Evangelium Lesejahr A: Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten und Rückkehr nach Nazareth
  • Evangelium Lesejahr B: Darstellung des Jesuskindes im Tempel
  • Evangelium Lesejahr C: Wallfahrt mit dem zwölfjährigen Jesus zum Paschafest nach Jerusalem
  • Zur Heiligen Familie gehören im engeren Sinn Jesus, seine Mutter Maria und der heilige Josef.
  • Die Darstellungen der Heiligen Familie zeigen zumeist ein idealisiertes Familienleben in Nazareth. „Heiliger Wandel" nennt man eine vom 17. bis zum 19. Jahrhundert beliebte Darstellungsform. Der Jesusknabe schreitet zwischen Mutter und Nährvater – oft führen sie ihn an der Hand – auf dem Lebensweg voran und veranschaulicht so eine vorbildhafte christliche Lebensführung.
  • Unter der Heiligen Sippe versteht man auch die Darstellung der weiteren Verwandtschaft Jesu: Elisabeth und Johannesknabe, Anna und Joachim, etc.

Praxis-Tipp

Das Fest kann verbunden werden mit einer besonderen Segnung der Kinder. Dem Beispiel Jesu folgend, der Kinder zu sich gerufen und gesegnet hat, kann in der Kindersegnung die Gotteskindschaft aller zum Ausdruck gebracht werden. Die Segensformel aus dem Benediktionale lautet: "Wir bitten dich, schenke diesen Kindern, die zu dir gekommen sind, deine Liebe. Schütze sie an Leib und Seele und mache sie froh wie die Hirten: der du lebst und herrschest in alle Ewigkeit. Amen."

Wider-Worte

aus einer Strassenumfrage in Österreich:
Frage: Maria und Josef sind ein berühmes Paar. Wie heisst ihr Kind? - Zögerliche Antwort: Ja, das wusste ich doch, warten Sie mal. ... Josef II.?

Lesetipp

37597653579880366814

  • Hubertus Lutterbach: Gotteskindschaft. Kultur- und Sozialgeschichte eines christlichen Ideals. Freiburg, Basel, Wien 2003
  • Johannes Paul II.: Familiaris Consortio, Apostolisches Schreiben an die Bischöfe, die Priester und die Gläubigen der ganzen Kirche über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute vom 22. November 1981.

Links

Liturgische Texte