Gedenktag fuer verstorbene Kinder thumb2. Sonntag im Dezember

"Herzenskinder" - Gedächtnis der ungeboren verstorbenen Kinder

"Herzenskinder" heisst eine Feierform für früh verwaiste Eltern in Nürnberg. Seit einigen Jahren wird dieser Kinder am 2. Sonntag im Dezember gedacht, zum Beispiel in Visp.

Was geschieht mit Kindern, die gestorben sind, noch bevor sie zur Welt kamen? Gibt es einen Ort, wo Eltern und Angehörige sich in Würde von ihrem Kind verabschieden können? Dem Kind, das sie nie kennenlernen durften, das sie nie oder vielleicht nur kurz sehen oder in den Armen halten konnten? Einen Ort, wo sie Abschied nehmen von Träumen und Plänen, die sie vielleicht mit dem Kind hatten?

Bei diesen Fragen geht es um die Würde des perinatalen Kindstodes. Ärztinnen und Ärzte, Hebammen, Bestatter, Seelsorgende werden fast täglich damit konfrontiert. Kinder, die tot geboren werden, dürfen nicht wie "Restmaterial entsorgt" werden. Ihnen soll ein Ort zugestanden werden, an dem sie bestattet werden können. An diesem Ort dürfen sich Eltern und Angehörige an ihre so früh verstorbenen Kinder erinnern.

Gedenktag

Jedes Jahr findet am 2. Sonntag des Monats Dezember der UNICEF-Weltgedenktag für verstorbene Kinder statt. Das Gedächtnis fällt also auf den 2. oder 3. Advent. An manchen Orten werden im Gedenken an diese Kinder Kerzen ins Fenster gestellt, wenn es dunkel wird. Es ist vermutlich kein Zufall, dass der Gedenktag eine gewisse Zeit vor dem Weihnachtsfest angesetzt wurde, gelten doch die Gedanken der Eltern vor Weihnachten besonders den Kindern. Und Kerzen sind in diesen Tagen der Adventszeit ohnehin ein Symbol der Hoffnung angesichts des langen Dunkels der Tage.

In den letzten Jahren wurde der Gedenktag auch in einigen Pfarreien mit einer einfachen, kleinen Feier begangen. Wie das Aufstellen der Kerzen im Fenster findet diese Feier in der Regel am späten Nachmittag und nicht als sonntäglicher Pfarrgottesdienst statt. Hier geschieht ein kleines Stück "Ritendiakonie": Die offene Feierform ermöglicht, mit Wort und Zeichen auf die besondere Situation der betroffenen Familien und Freunde einzugehen. Liturgie und Seelsorge gehören zusammen.

Ein Gedenkort im Wallis

Für diesen Tag hat auf Initiative des Bestatters Rolf Lambrigger (Visp) die Mutter-Kind-Abteilung des Spitalzentrums Oberwallis vor drei Jahren für all die Mütter und Väter, deren Kind während der Schwangerschaft gestorben ist, zum Gedenken eine Kinderwiese auf dem Friedhof in Visp eingerichtet. Sie ist ein Ort, wo totgeborene Kinder des Spitalzentrums Oberwallis begraben werden (siehe Bild oben). Weitere Bestattungsmöglichkeiten gibt es an vielen anderen Orten.

Eltern, Grosseltern und Geschwister soll an diesem Tag die Möglichkeit gegeben werden, ihrer Trauer Ausdruck zu geben und im Glauben neue Kraft zu schöpfen. Die Kinderwiese wird so zum Ort der Trauer und des Neubeginns. Darum findet jedes Jahr am 2. Sonntag im Dezember auf der Kinderwiese auf dem Friedhof in Visp eine stille, religiöse Feier statt.

Ein Beispiel für den Ablauf der Feier

  • Kreuzzeichen
  • Einleitung
Die Einleitung führt auf den Sinn des Tages hin: die Kinderwiese als Ort der Trauer und der Hoffnung. Auch wenn die Seelen der Kleinen die Erde nur gestreift haben, hinterlässt sie Spuren in den Herzen derer, die sie erwartet haben. Es sind Spuren, die in die Zukunft Gottes führen.
  • kurze Stille
  • Biblischer Text: Psalm 139,5

Auf dem Grabstein der Kinderwiese steht: "Du umschliesst mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich." (Psalm 139,5) - Gott ist der Schöpfer allen Lebens. Dieses Leben beginnt nicht erst bei der Geburt, sondern schon bei der Befruchtung von Eizelle und Samenzelle. Wie das Kind im Leib der Mutter geschützt ist von allen Seiten, so umschliesst Gott alles Lebendige mit seiner Liebe.

Eine schwangere Frau trägt Leben in ihrem Leib. Der Weg Marias zu Elisabeth zeugt von diesem Weg, der "ungeborenes Leben" zum "hüpfen" bringt, als sich beide Frauen begrüssten (vergleiche Lukas 1,41 und 44).

    • Fürbitten

Bei den Fürbitten sollen alle Menschen zur Sprache gebracht werden, die direkt und indirekt betroffen. Da sind die Herzen aller Mütter und Väter, die ein Kind verloren haben, da sind die Herzen aller Eltern, deren Kind schon vor der Geburt gestorben ist, da sind die Herzen aller Eltern, die ihr Kind durch eine Fehlgeburt verloren haben, da sind die Herzen aller Frauen, die ihr Kind verloren haben und es nie begraben konnten, da sind alle Grosseltern, die ihren Enkel früh verloren haben, da sind die Herzen aller Kinder, die sich auf ein Geschwisterchen freuten und diese Freude nie erfahren durften und da sind die Herzen aller Kinder, die das Licht dieser Welt nie erblicken konnten; da sind aber auch die Herzen aller Pflegenden und Seelsorger, die sich um die Eltern und deren Kindern kümmern, wenn sie in dunklen Situationen stecken. Da ist auch die stille Fürbitte, das Unausgesprochene, das, was kaum in Worte gefasst werden kann.

    • Vaterunser
    • Dankgebet
    • Segensbitte mit Weihwasser: für die ungeboren bestatteten Kinder der Kinderwiese und für alle anderen Verstorbenen.

Auch wenn Eltern ihr Kind nie kennengelernt haben, so haben sie ihm vielleicht schon einen Namen gegeben. Gott weiss um das "namenlose" Kind. ER weiss, wie sein Leben geworden wäre. Er vergisst dieses Leben nicht, denn es lebt bei IHM. In Gottes Wirklichkeit hat das Kind alles, was es braucht. Wir dürfen uns freuen, dass unsere Namen im Himmel aufgeschrieben sind. Die totgeborenen Kinder sind also an einem guten Ort. Der Ort der Trauer wird zum Ort der Hoffnung.

Fachstelle "Fehlgeburt und perinataler Kindstod"

Auf diesem Hintergrund hat eine Gruppe von engagierten Seelsorgenden, Ärztinnen und Ärzten, Hebammen und betroffenen Eltern 2003 die "Fachstelle Fehlgeburt und perinataler Kindstod" (FpK) ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe ist es, betroffenen Eltern und Fachpersonen aus der ganzen Schweiz beim Tod eines Kindes rund um die Geburt kompetente Unterstützung in der akuten Situation und Nachbetreuung zu bieten. Die Gruppe gibt Auskunft zu rechtlichen Fragen, unterstützt Fachpersonen aus der Geburtshilfe und anderen medizinischen Berufen sowie aus der Seelsorge mit Weiterbildung und hilfreichen Arbeitsinstrumenten. Sie setzt sich für würdige Bestattungsmöglichkeiten und für eine Anerkennung des Todes am Anfang des Lebens ein.

Damian Pfammatter, Diakon

 

Praxis-Tipp

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Klaus Schäfer, Trauerfeiern beim Tod von Kindern. Liturgische Hilfen und Modelle für die Segnung, Verabschiedung und Beerdigung. Pustet 2010. 168 S.

Der Autor ist Spitalseelsorger und Pallotiner. Die Feiern sind erprobt. Ausserdem sind Erfahrungen von Betroffenen berücksichtigt. Die Einleitung gibt gute Hinweise für Seelsorgende zu unterschiedlichen, nichtliturgischen Aspekten. Als Feierformen kommen vor: Segnungen, Trauerfeiern (inklusive von Feiern, wenn Eltern keine Christen sind oder nicht an Gott glauben), Bestattungen, Trost-Gottesdienste (z.B. für Weihnachten). Bei einzelnen Feierformen bleibt der Ablauf gleich, einige Texte auch, andere sind für verschiedene Adressaten formuliert. Zusätzliche Elemente finden sich im Anhang (kaum Lieder). Alle Gefühle beim Tod von Kindern werden zugelassen: Trauer, Klage, Wut, Gottverlassenheit, Schuld ...

Geistlicher Impuls

Das Gasthaus
Dieses Menschsein ist ein Gasthaus, jeden Morgen eine neue Ankunft.Eine Freude, eine Depression, eine Gemeinheit, eine plötzliche Erkenntnis kommen wie ein unerwarteter Besucher.Heisse alle willkommen und unterhalte sie! Sogar wenn's ein Haufen Sorgen sind, die in deinem Haus brutal die Möbel hinausfegen,Trotzdem, behandle jeden Gast ehrenvoll. Vielleicht putzt er dich heraus für eine neue Freude.Der dunkle Gedanke, die Scham, die Bösartigkeit, empfange sie an der Tür mit einem Lachen und lade sie ein. Sei dankbar für was immer auch kommt,weil jeder gesandt wurde als Führung dessen, der von weiter her kommt.

Jelal-uddin Rumi (Mevlana), Sufi-Mystiker


Lesetipp

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Clara Moser Brassel und Detlef Hecking: Wenn Geburt und Tod zusammenfallen. Ökumenische Arbeitshilfe für Seelsorgerinnen und Seelsorger bei Fehlgeburt und perinatalem Kindstod. TVZ-Verlag Zürich

Artikel von Detlef Hecking in der SKZ

Links

Fachstelle Fehlgeburt und perinataler Kindstod

Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz: "Wenn der Tod am Anfang steht"