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Das Zelt Gottes in der Kirche

In jeder katholischen Kirche hat es einen Tabernakel. Aber warum eigentlich und was für eine Rolle spielt er in der Liturgie?


Tabernaculum
bedeutet vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt «Hütte, Zelt». Im Tabernakel werden in römisch-katholischen und in altkatholischen Kirchen die geweihten Hostien aufbewahrt, oder – wie man auch sagt: das Allerheiligste, denn diese Gabe ist den Gläubigen sehr kostbar. So wie Christus im Allerheiligsten gegenwärtig, bleibt er sakramental gegenwärtig, wenn die konsekrierten Hostien im Tabernakel aufbewahrt sind. Als Ort seiner Gegenwart birgt der Tabernakel ihn wie ein Zelt, das auf einer Reise etwas Kostbares birgt. Das Ewige Licht zeigt diese Gegenwart an.

Geschichtlicher Hintergrund

Ursprünglich war der Tabernakel dazu da, das konsekrierte Brot würdig und sicher aufzubewahren für die Kommunion der Kranken und Sterbenden. Mit der Zeit entwickelte er sich jedoch von einem Aufbewahrungsort zu einem Anbetungsort. Bevor die heute bekannte Form des Tabernakels in der Kirche verbreitet war, bewahrte man die Kommunion auch privat auf, oft in Elfenbeinkästchen. Später etablierten sich eigene Nebenräume in der Kirche als Aufbewahrungsorte. Ab dem Frühmittelalter wurde das Gefäss mit den konsekrierten Hostien auch auf den Altar gestellt oder über dem Altar aufgehängt (sogenannte Hängetabernakel, oft in Form einer Taube). Verbreitet waren auch Wandtabernakel in Wandnischen oder Sakramentshäuschen. Als Folge der Bestimmungen rund um die Realpräsenz* der Eucharistie auf dem Konzil von Trient (1545-1563) wurde der Tabernakel auf den Hochaltar in die Zentralachse verlagert und, unterstützt durch die Barock-Architektur, zum zentralen Fokus der meisten Kirchenräume.

Heute

Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Aussagen über die Gegenwart Christi in der Eucharistiefeier ausgeweitet. Es betont die Christusbegegnung in den liturgischen Handlungen selbst und verstärkt dadurch die Bedeutung der Dynamik der Feier. Der Tabernakel hat daher während des Gottesdienstes keine Bedeutung. Deshalb ist es nicht sinnvoll, dass der Tabernakel seinen Platz in der Mittelachse der Kirche hat. Allerdings sollte er sich auch nicht in allzu grosser Entfernung vom Altarraum befinden, sodass es leicht möglich ist, während der Kommunion bei Knappheit weitere konsekrierte Hostien zu holen.

In jeder Kirche gibt es nur einen Tabernakel. Dieser besteht aus einem festen, blickdichtem Material und ist normalerweise verschlossen. Beim Eintreten in eine katholische Kirche macht man in der Regel eine Kniebeuge in Richtung des Tabernakels als Zeichen der Verehrung des Allerheiligsten, das sich dort befindet.
Eine Ausnahme ist der Gründonnerstag: Da es in der Feier des Letzten Abendmahles um die Hingabe Jesu und die Einsetzung der Eucharistie geht, werden alle Hostien für diese Feier in dieser Messe selbst konsekriert. Der Tabernakel muss vorgängig geleert werden, weil die Abendmahlsmesse mit der Überführung der übrigen konsekrierten Hostien an einen anderen würdigen Ort ausserhalb der Kirche endet, wo sie bis zur Feier der Osternacht aufbewahrt werden.
Daher steht der Tabernakel vom Hohen Donnerstag bis zur Feier der Osternacht am Karsamstag leer. So fällt in diesen Tagen die Kniebeuge beim Eintreten der Kirche weg.

Die Rolle des Tabernakels in der Liturgie

Im Tabernakel wird zwar das Allerheiligste aufbewahrt, jedoch sollten die Hostien, die den Gläubigen bei der Kommunion ausgeteilt werden, in der Eucharistiefeier selbst konsekriert werden. So wie der Priester den Leib Christi aus derselben Feier empfängt, so sollten auch für die Gläubigen nur im Notfall die Hostien aus dem Tabernakel kommunizieren. Die Hostien, die in der Eucharistiefeier konsekriert und nicht kommuniziert wurden, werden nach der Kommunion in eine verschliessbare Schale oder in ein sogenanntes Ziborium (ein Gefäss, das wie ein Kelch aussieht und mit einem Deckel verschlossen wird) gelegt. Dieses wiederum wird dann zum Tabernakel getragen und darin aufbewahrt.
Wenn bedacht wird, dass wir bei der Kommunion Christus leibhaftig empfangen, ist klar, warum der Tabernakel in der Liturgie selber keine Rolle spielt. So ist es theologisch gesehen auch nicht angezeigt, unmittelbar nach der Kommunion Richtung Tabernakel eine Kniebeuge zu machen. Möge uns der Tabernakel aber immer wieder daran erinnern, dass wir selbst Gott in uns tragen und aufgefordert sind, Gott in die Welt zu den Menschen zu bringen.

Medea Roxana Sarbach, Theologiestudentin in Fribourg (8.1.2020)

Dieser Beitrag wurde unterstützt durch Mittel des Freundeskreises Liturgisches Institut.

Facts

Der Tabernakel spielt in der Liturgie selbst keine Bedeutung und soll deshalb die Aussagekraft des Altars und des Ambos nicht übertreffen. (Vgl. Leitlinien für den Bau und die Ausgestaltung von gottesdienstlichen Räume, S.26)

«Der Tabernakel, in dem die heiligste Eucharistie aufbewahrt wird, muss sich an irgendeinem hervorragenden Platz der Kirche oder Kapelle befinden, der gut sichtbar, kunstvoll ausgestattet und zum Gebet geeignet ist.» (CIC 1983, c. 938 §2)

«Mit Nachdruck wird jene vollkommenere Teilnahme an der Messe empfohlen, bei der die Gläubigen nach der Kommunion des Priesters aus derselben Opferfeier den Herrenleib entgegennehmen.» (Sacrosanctum Concilium, Nr. 55)

Heute wird sehr angeraten, die Eucharistie in einem vom Kirchenraum getrennten Tabernakel aufzubewahren, also einer Sakramentskapelle. Nur wenn dies nicht möglich ist, sollen die konsekrierten Hostien auf einem Altar oder einem anderem würdigen Ort im Kirchenraum selbst aufbewahrt werden. (Vgl. Messordnung Nr. 276)


* Realpräsenz

Die Lehre von der Realpräsenz ist der Versuch ein tiefes Glaubensgeheimnis theologisch zu fassen: Christus ist in den Gestalten des konsekrierten Brotes und Weins leibhaftig und real gegenwärtig. So kann Christus sich in Brot und Wein den Menschen schenken, so haben sie Gemeinschaft mit ihm.

Praxis

Wie geht man mit den Hostien im Tabernakel um? Das ist eine Frage, die allem für Sakristaninnen und Sakristane wichtig ist. Sie zeigt, welche Sorgfalt und Liebe hier gefordert ist.
Mehr dazu:
Der wahre Leib - wie gehe ich damit um?

Lesetipp

DBK 129

 

Leitlinien für den Bau und die Ausgestaltung von gottesdienstlichen Räumen, Handreichung der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, 6. ergänzte Auflage 2002 (Pdf)