Begegnung thumbDialog zwischen Gott und den Menschen

Beziehungsgeschichten. Im Himmel und auf Erden.

Wer mitgeht, hört gespannt und erwartungsvoll zu. Begegnung. Beziehung. Liturgie ist Dialog zwischen Gott und den Menschen: «Denn in der Liturgie spricht Gott zu seinem Volk; in ihr verkündet Christus noch immer die Frohe Botschaft. Das Volk aber antwortet mit Gesang und Gebet.» (Sacrosanctum Concilium Nr. 33)

„Und Gott sprach", das ist ein Grundwort im Alten Testament. Und er sprach zu Abraham oder Mose, zu Jesaja oder Jeremia und vielen anderen. Zwischen Jesus und dem Gott, den er Abba nannte, scheint es intensives Gespräch gegeben zu haben, z.B. wenn er sich an einen einsamen Ort zurückzog. In den langen Jahrhunderten der christlichen Geschichte haben immer wieder einzelne bezeugt, dass sie seine Stimme hörten. Mal unmittelbar, mal als Stimme im Herzen. Spricht er heute noch? Spricht er zu uns, auch wenn wir nicht Mose sind, oder einer der Heiligen, oder gar Jesus? Spricht er in der Liturgie? Hat er überhaupt eine Stimme oder ist das nicht die unglaubwürdige Sichtweise einer vormodernen (Glaubens-)Welt?

Stimmen hören in der Liturgie?

„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht" (Psalm 95,7f), so heisst es im ersten Psalm eines liturgischen Tages. Offensichtlich geht die Liturgie also davon aus, dass der Dialog zwischen Gott und den Menschen nicht abgeschlossen ist: Seine Stimme bleibt hörbar; unsere Antwort ist gefordert, indem wir unser Herz nicht im Verstummen oder in Untätigkeit einkapseln. Aber wo hören wir diese Stimme?

Biblische Beziehungsgeschichten

Wort des lebendigen Gottes" heisst es nach der Lesung der Messe oder der Wort-Gottes-Feier. Die Verkündigung aus den Schriften der Bibel wird damit als ein relevanter Ort für das Hören seiner Stimme identifiziert. In der langen Geschichte zwischen Gott und Menschen, die in den biblischen Büchern erzählt wird, ist er nicht nur der Sprechende, sondern ebenso und entscheidend der Handelnde. In der Schöpfung wie in geschichtlichen Ereignissen erkannte das Volk Israel einen Gott, der mit ihm ist – auch wenn die Propheten das Volk zuweilen an seinen Part in der Beziehung erinnern musste. Gottes Dienst an den Menschen hat vielfältige Erscheinungsformen: in Worten, Zeichen, Handlungen. Er geht mit.

Wie damals – so auch heute

Dieses Handeln Gottes geht weiter, nicht nur in der Liturgie, aber gerade auch dort. In der Verkündigung aus der Heiligen Schrift und im sakramentalen Handeln verändert er die Wirklichkeit von Einzelnen in gemeinschaftlicher Versammlung im Hinblick auf eine neue Schöpfung für alle. Daran sind viele beteiligt: Gott, der sich in der Geschichte Israels gezeigt und in Jesus allen Menschen zugewendet hat, der Heilige Geist mit seiner Kraft, Menschen zum Glauben zu führen, an die vergangenen Worte und Taten so lebendig zu erinnern, dass sie uns hier und heute ergreifen. Die Engel auch und Maria mit der Schar der Heiligen. Und heute alle, die sich für Gottes Dienst an den Menschen zur Verfügung stellen: indem sie mit ihrer menschlichen Stimme seine Worte verkünden oder in ihrem menschlichen Handeln Raum geben für sein Handeln an uns.

Wort ruft nach Antwort

Die Antwort auf seine Stimme und auf sein Handeln hat im Gottesdienst viele Klänge. Alle sind eingeladen, in diesen Dialog einzutreten, die Beziehung zu Gott auch liturgisch zu leben. Die Liturgie stellt ihnen Möglichkeiten für eine Antwort bereit: Dank und Lobpreis in Psalmen, Hymnen und Liedern, Bekenntnis, Anbetung, Fürbitte, aber auch Klage. Ja, man kann und darf Gott mit Nachdruck an seine Zusage eines Mit-Seins auf unseren Wegen erinnern, wenn nichts von seiner Beziehung zu uns spürbar ist. Weil dieser Gott nicht welt-fremd ist und die Liturgie auch nicht. Wenn sie an scheinbar längst überholte Geschichten anknüpft, spinnt sie den Beziehungsfaden zwischen Gott und den Menschen im Hier und Heute des Gottesdienstes weiter.

Liturgie und Leben

Wahrscheinlich verwandelt nichts so sehr einen Menschen wie die Beziehungsgeschichten, in die er verwickelt sind. Die haben Folgen. Auch im liturgischen Dialog von Gott und Mensch. Gelingt es, lebendig in diesen Dialog einzutreten, so wird das –hoffentlich! – das alltägliche Leben jeder Einzelnen und jedes Einzelnen verändern und verwandeln. Das erfordert natürlich ein sensibles und waches Ohr. Und das jeden Tag, lässt sich diese Beziehung doch nicht auf ein sonntägliches oder gar feiertägliches Meeting beschränken. Die Liturgie wird schliesslich zum Gottesdienst des Lebens, zum Gottes-Dienst des Alltags. ‚Geht also und nehmt den Frieden Gottes tief hinein in euer aller Leben', so könnte man den Schlussruf der Messe einmal etwas frei wiedergeben.

Gunda Brüske

 

Wider-Worte

"Mit Lissa in der Kirche. Konnte nicht beten. Die feierliche Amtssprache der Kirche klang fremd. Kunstgewerbe-Vokabular. Glauben die Frommen, Gott höre sie nur, wenn sie beten, er habe keine Ahnung von den Worten, die sie sonst denken und sagen? ... Mein Leben ist in der Gebetssprache nicht mehr unterzubringen. Ich kann mich nicht mehr so verrenken. Ich habe Gott mit diesen Formeln geerbt, aber jetzt verliere ich ihn durch diese Formeln. Man macht einen magischen Geheimrat aus ihm, dessen verschrobenen Sprachgebrauch man annimmt, weil Gott ja von gestern ist."

Martin Walser, Halbzeit. 1960

Geistlicher Impuls

"Die Zeit läuft. Das Kirchenjahr lief gestern in der Messe auf den Jakobsbrunnen zu. Jedes Jahr kommt es dort wieder an. Jedes Jahr sitzt dann der Kyrios auf der Brunnenmauer dort, rechnet damit, dass ich mit meinem Krug zum Gespräch komme. Er weiß, dass auch ich müde bin und Durst habe. Er bietet mir Trinkwasser an, fließendes, frisches. Ich weiß mehr als die Samariterin darüber. Du bist müde, Kyrios. Wie? Kommst jahrmilliardenlang, kommst noch länger auf uns zu, ewiges Licht, ohne Anhalt, ohne erschöpft zu sein, kamst schon so lange auf das samaritanische Mädchen zu, auf mich zu, und bist müde von den paar Stunden Wanderung von Judäa nach Galiäa! Ja, wirklich. Aber ich weiß doch, Gott-Mensch, Kyrios, wie sich das verhält mit dir."

Silja Walter, Die Beichte im Zeichen des Fisches. 2005

Facts

"Denn in der Liturgie spricht Gott zu seinem Volk; in ihr verkündet Christus noch immer die Frohe Botschaft. Das Volk aber antwortet mit Gesang und Gebet."

"Bei den liturgischen Feiern soll jeder, sei er Liturge oder Gläubiger, in der Ausübung seiner Aufgabe nur das und all das tun, was ihm aus der Natur der Sache und gemäss den liturgischen Regeln zukommt."

Liturgiekonstitution "Sacrosanctum Concilium" (1963), Nr. 33 und 28

"Weil die Pfarrei leichter in eine unmittelbare und persönliche Beziehung zu den einzelnen und den Gruppen kommt, ist sie berufen, ihre Glieder zum Hören auf das Wort, zum Dialog mit Gott in der Liturgie und im persönlichen Gebet, zum Leben der geschwisterlichen Liebe zu führen ..."

"Christifideles laici" über die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt (1988), Nr. 61

Links

Hans Bernhard Meyer über "Liturgie und Spiritualität"