«Gehet hin in Frieden»Keine Aufforderung zum Ausruhen, auch kein moralischer Zeigefinger für Streitende, sondern Aussendung zum «Gottesdienst des Lebens». «Gehet hin in Frieden» - so lautet der Entlassungsruf am Ende der Eucharistiefeier. Sollen die Mitfeiernden die Erfahrung des Friedens, der Ruhe, die sie möglicherweise im Laufe des Gottesdienstes gemacht haben, mit in ihren Alltag nehmen - sozusagen der Gottesdienst als Quelle der persönlichen Regeneration? Oder geht es darum, dass die Mitfeiernden untereinander nicht streiten sollen? «Gehet hin in Frieden» statt «Gehet, es ist Schluss»Die wörtliche Übersetzung der lateinischen Entlassungsformel «Ite, missa est» wäre eigentlich «Gehet, es ist Schluss» oder «Gehet, es ist Entlassung». Die lateinische Formel wurde ursprünglich in der Antike von den Vorstehern öffentlicher Versammlungen benutzt, um ganz förmlich das Ende der Versammlung zu verkünden. Aber der Entlassungsruf im deutschsprachigen Messbuch lautet eben nicht «Gehet, die Messe ist beendet», sondern «Gehet hin in Frieden». Offensichtlich geht es um mehr, als nur offiziell das Ende des Gottesdienstes anzuzeigen. Frieden – SchalomZentral für das Verständnis ist hier zum einen der Begriff «Frieden». Dieser Begriff begegnet im Verlauf der Eucharistiefeier mehrmals: Neben dem Entlassungsruf kommt er insbesondere auch im Gloria, im Friedensritus nach dem Vaterunser sowie im Agnus Dei vor. Gehet – Sendung zum Gottesdienst des LebensDer zweite zentrale Ausdruck ist «gehet». Dieser Ausdruck signalisiert, dass die Mitfeiernden zu etwas aufgefordert werden. Ein Blick in die Bibel zeigt, dass die Aufforderung «gehet» sowohl im Alten als auch im Neuen Testament mit dem Gedanken der Sendung verbunden ist. Der Entlassungsruf der Messe ist demnach als christliche Sendung zu verstehen. Die Mitfeiernden werden gesendet, den Schalom Gottes, den sie in der Eucharistiefeier erfahren haben, in ihren Alltag mitzunehmen und weiterzugeben. Der Entlassungsruf zeigt also gerade nicht das Ende des Gottesdienstes an, sondern macht klar, dass der Gottesdienst im Alltag der Menschen weitergehen soll – als Gottesdienst des Lebens. Neue lateinische Entlassungsrufe bringen das zum AusdruckAuch Benedikt XVI. vertrat im Schreiben «Sacramentum Caritatis» die Auffassung, dass der Schlussruf eine Aussendung ist, dass es um die christliche Sendung in der Welt geht. Er empfahl daher die Aufnahme entsprechender Formulierungen in den Messbüchern. 2008 wurden in der lateinischen Ausgabe des Messbuchs zusätzlich drei neue Entlassungsrufe zugelassen, die dieses Verständnis zum Ausdruck bringen. Die neuen Entlassungsrufe lauten «Ite ad Evangelium Domini annuntiandum» («Gehet, um das Evangelium zu verkünden»), «Ite in pace, glorificando vita vestra dominum» («Gehet in Frieden, verherrlicht den Herrn mit eurem Leben») und «Ite in pace» («Gehet in Frieden»). Entlassungsruf: Zuspruch und AnspruchDer Entlassungsruf «Gehet hin in Frieden» ist also gleichzeitig Zuspruch und Anspruch. Als Zuspruch erinnert er die Mitfeiernden daran, dass sie in der Eucharistiefeier bereits die Erfahrung des Schaloms Gottes machen konnten und dass sie von diesem Schalom umfangen sind. Als Anspruch appelliert der Entlassungsruf an die Mitfeiernden, die Erfahrung, die sie in der Eucharistiefeier gemacht haben, in ihr Leben mitzunehmen und durch ihr Reden und Handeln mit anderen Menschen zu teilen. Ingrid Bolliger, Theologiestudentin in Luzern (28.06.2019) Dieser Beitrag wurde unterstützt durch Mittel des Freundeskreises Liturgisches Institut. |
Stichwort
Zitat„Nach dem Segen verabschiedet der Diakon oder der Priester das Volk mit den Worten: „Ite missa est“. In diesem Gruß können wir die Beziehung zwischen der gefeierten Messe und der christlichen Sendung in der Welt erkennen. Im Altertum bedeutete „missa“ einfach „Entlassung“. Im christlichen Gebrauch hat das Wort jedoch eine immer tiefere Bedeutung gewonnen, indem „missa“ zunehmend als „missio“ verstanden und so Entlassung zu Aussendung wird. Dieser Gruß drückt in wenigen Worten die missionarische Natur der Kirche aus. Darum ist es gut, dem Volk Gottes zu helfen, diese Grunddimension des kirchlichen Lebens – ausgehend von der Liturgie – zu vertiefen. In dieser Hinsicht kann es nützlich sein, über entsprechend approbierte Texte für das Gebet über das Volk und den Schlußsegen zu verfügen, die diese Verbindung deutlich zum Ausdruck bringen.“
Benedikt XVI., Sacramentum caritatis (2007), Nr. 51
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