Schuldbekenntnis: Nur ein störendes Gebet?Das Schuldbekenntnis am Anfang des Gottesdienstes ist für einige anstössig. Könnte es dennoch einen Sinn haben? Der Artikel macht eine kleine Reise durch Geschichte, Anthropologie und Alternativen, um dieses Gebet zu entdecken. Beten ist eine Verbindung mit Gott, doch sind einige Gebete, die eine lange Geschichte haben, nicht immer einfach. Das ist der Fall beim Schuldbekenntnis im Bussakt, das auf Latein nach dem ersten Wort des Gebets Confiteor heisst. Warum soll man am Anfang der sonntäglichen Eucharistiefeier mit dem Bekenntnis der eigenen Sünden anfangen? Hat dieses Gebet noch eine Bedeutung? Wäre es möglich, den Bussakt alternativ zu gestalten? Einen Gottesdienst anders anfangenDie Antwort auf die letzte Frage kann entlasten. Sie lautet: Ja. Das Deutsche Messbuch sieht am Anfang der Eucharistiefeier drei Formen des Bussaktes vor: Variante A mit Einladung durch den Priester und Schuldbekenntnis; Variante B mit einem Bekenntnis in Gestalt eines kleinen Dialogs zwischen dem Priester und dem Volk; Variante C mit kurzen Anrufungen an Jesus und Kyrie-Rufen («Herr, erbarme dich … Christus, erbarme dich …»). Nur die erste Form enthält das Schuldbekenntnis, die anderen sehen andere Formen des Bekenntnisses eigener Sünden vor wie z. B. ein Busslied. Die für die Feier Zuständigen entscheiden, wie der Bussakt gestaltet wird. Eine Alternative betrifft den sonntäglichen Gottesdienst: Am Sonntag kann ein Taufgedächtnis mit Weihwasser das Schuldbekenntnis ersetzen. Ein liturgisches ErbeViele liturgische Elemente gehören seit Jahrhunderten zur katholischen Liturgie. Das gilt auch für ein Bekenntnis der Sünde, das schon in den ersten christlichen Jahrhunderten am Anfang des Gottesdienstes gesprochen wurde. Im Mittelalter entsteht das Confiteor, das lange nur ein Gebet des einzelnen Vorstehers und nicht des Volkes war. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) dürfen alle Mitfeiernden das Schuldbekenntnis beten. Der Mensch in der TiefeWenn das Schuldbekenntnis so tief in der Geschichte verwurzelt ist, wird verständlicher, warum Menschen es nicht sofort mit ihrer Lebenswirklichkeit zusammenbringen. Betrachtet man das Schuldbekenntnis aber aus einer anthropologischen Perspektive, entdeckt man, dass es grundlegende Aspekte des Menschseins anspricht. Das solidarische Stehen vor GottDie Menschen sind im Glauben nie allein, sondern immer mit Himmel und Erde verbunden. Die Gläubigen erfahren das in der Liturgie. Der Theologe Romano Guardini betonte schon vor hundert Jahren, dass die Liturgie ein gemeinschaftliches Geschehen ist. Auch das Confiteor drückt die gemeinschaftliche Dimension des Glaubens aus, in dem Mitfeiernde sofort nach der Erwähnung von Gott ihre Fehler vor den Brüdern und Schwestern im Glauben bekennen. Einige Worte später werden Maria, die Engel und wieder die Brüder und Schwestern im Glauben um Gebet und Unterstützung gebeten. Das Schuldbekenntnis betont die Stärke des Gemeinschaft-Seins; alle Brüder und Schwestern bekennen die eigene Begrenztheit, tragen eine Verantwortung für sich selbst und die anderen und sie dürfen sich als von den anderen unterstützte wissen. Das Confiteor weicht von der individualistischen Verstrickung des heutigen Menschen ab, um die Perspektive „Mit mehreren ist man sicherer“ anzunehmen. Das Schuldbekenntnis erinnert an eine andere Polarität im Leben, nämlich die, mit jemandem mal kurz, mal lang den Weg des Lebens zu gehen. Die Stellung des Schuldbekenntnisses in der EucharistiefeierEine häufige Frage bezieht sich auf die Stellung des Schuldbekenntnisses im Eröffnungsteil der Eucharistiefeier. Theoretisch kann man auch später den Bussakt beten, wie es z. B. in der Wort-Gottes-Feier der Fall sein kann. Trotzdem hilft ein konkretes Beispiel, den Grund dieser Stellung zu begreifen. Niemand würde mit schmutzigen Händen in das Haus eines Gastgebers oder einer Gastgeberin eintreten. Man würde sich vor gewissen Terminen Zeit nehmen, um nicht nur die Hände zu waschen, sondern auch das ganze Aussehen zu verschönern. In ähnlicher Weise können die Mitfeiernden ihr Dasein am Anfang des Gottesdienstes vor Gott „verbessern“. Niemand würde mit einem Freund ruhig und lang sprechen, wenn die Beziehung zu ihm wegen etwas gestört ist. Man würde sich zunächst mit dieser Person versöhnen und dann tiefer ins Gespräch kommen. Das Gleiche gilt zwischen den Gläubigen und Gott. Er lädt uns zum Fest und zugleich zur Versöhnung mit ihm ein. Ein altes und aktuelles GebetDas Confiteor hat aus den oben erwähnten Gründen noch eine Relevanz. Vielleicht braucht es einfach manchmal eine Erschliessung. Wie die Bischöfe in den ersten Jahrhunderten des Christentums die Homilie verwandten, um den kurz zuvor Getauften die Glaubensinhalte zu erklären, so kann der Priester auch bei passenden Bibellesungen das Schuldbekenntnis in der Predigt auslegen. Schliesslich ist die Bibel der erste Ort, in dem das Bekennen der Sünden und das Streben nach Versöhnung in verbildlichen Erzählungen und Gebeten dargestellt werden. Eine biblische Erzählung kann ein sehr geeigneter Input zur Erschliessung des Schuldbekenntnisses sein. Davide Bordenca |
AblaufBussakt in der Eucharistiefeier Oder: Bevor wir das Gedächtnis des Herrn begehen, Oder: Damit wir Oder eine andere, frei formulierte Einladung. P.: Erbarme dich, Herr, unser Gott, Die Formen A und B können durch ein Busslied ersetzt werden. Form C Oder eine andere, frei formulierte Einladung. V.: Herr Jesus Christus, V.: Herr, erbarme dich (unser). Oder: V.: Herr, erbarme dich (unser). Falls die Kyrierufe nicht schon vorausgegangen sind, folgen sie an dieser Stelle. |