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Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Ackerfurchen thumbWettersegen

Hagel, Blitz und Dürre

Liturgie und Wetter - das ist kein dem Klimawandel verdanktes Modethema. Gott als Schöpfer allen Lebens anzurufen ist heute so aktuell wie in früheren Zeiten.

Dass Unwetter grossen Schaden anrichten können, erleben wir immer wieder. Und wer selber schon mal in ein Gewitter geraten ist, weiss wie bedrohlich die Kräfte der Natur wirken. Es erstaunt deshalb nicht, dass auch Christen glaubten, dass im Gewitter böse Dämonen wirksam waren und ihr Unwesen trieben. Kein Wunder betete man deshalb um Abwehr dieser feindlichen Kräfte. So entstand dann auch der sogenannte Wettersegen. Mittelalterliche Gebetsformulare enthalten den Taufexorzismen und den Exorzismen nachgebildete Beschwörungen der Dämonen. Apotropäischen, das heisst Unheil abwendenden Zwecken, dienten die Verwendung von heiligen Reliquien, geweihte Kerzen, das Weihwasser und das Glockengeläute gegen die Dämonen. Schon im frühen Mittelalter war es üblich, beim Wettersegen die Allerheiligenlitanei zu beten.

Im deutschsprachigen Raum setzte sich auch der Brauch durch, den Segen mit einem Kreuzpartikel zu erteilen. Im Gegensatz zum „römischen" Wettersegen, der nur bei drohendem Unheil gebetet wurde, spendete man den „deutschen" Wettersegen vom April bis zum September täglich nach der heiligen Messe. Dieser Brauch hat sich im deutschsprachigen Gebiet bis heute erhalten. Vom Festtag des Heiligen Markus am 25. April bis zum Fest Kreuzerhöhung am 14. September kann dieser Segen als erweiterter Schlusssegen der Messfeier erteilt werden. Heute geht es nicht mehr um die Abwehr dämonischer Kräfte, sondern vielmehr um ein direktes Gebet an Gott, dass er Schaden und Unheil fernhalten möge.

In unserem deutschsprachigen Messbuch sind solche Wettersegen zu finden:
„Gott, du Schöpfer aller Dinge, du hast uns Menschen die Welt anvertraut und willst, dass wir ihre Kräfte nützen. Aus dem Reichtum deiner Liebe schenkst du uns die Früchte der Erde: den Ertrag aus Garten und Acker, Weinberg und Wald, damit wir mit frohem und dankbarem Herzen dir dienen."

Zunächst wollen wir nicht vergessen, dass Gott der Schöpfer aller Dinge ist. Der Anfang dieses Gebets erinnert an die Begleitgebete zur Gabenbereitung. Wenn der Priester die Schale mit Brot über den Altar hält spricht er: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde." Und wenn der Priester den Kelch über den Altar hält: „Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit. Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde."

Der Anfang des Wettersegens ist ein Gebet zu Gott, dem zuallererst unser Lob und Dank gilt. Dank für unsere Erschaffung, Dank für die ganze Schöpfung. „Aus dem Reichtum deiner Liebe schenkst du uns die Früchte der Erde: den Ertrag aus Garten und Acker, Weinberg und Wald, damit wir mit frohem und dankbarem Herzen dir dienen."

Erst jetzt kommt die Bitte um die Erhörung unseres Gebets: „Erhöre unser Gebet: Halte Ungewitter und Hagel, Überschwemmung und Dürre, Frost und alles, was uns schaden mag, von uns fern." Für in der Landwirtschaft tätige Menschen, mag diese Bitte eine tiefere Bedeutung haben, als für Stadtmenschen. Aber gerade der Wettersegen kann uns helfen nicht zu vergessen, woher wir die Nahrung für unser Leben erhalten.

In einem weiteren Wettersegen des Messbuches werden nicht nur die Menschen gesegnet, sondern auch die Felder, die Gärten und der Wald. Ein schöner Hinweis, dass auch die Natur Teil der göttlichen Schöpfung ist und ihr der Segen Gottes zugesprochen werden kann. Ich wünsche auch Ihnen, dass Sie sich immer wieder von diesem Segen beschenken lassen können:

„Gott der allmächtige Vater, segne euch und schenke euch gedeihliches Wetter; er halte Blitz, Hagel und jedes Unheil von euch fern. Er segne die Felder, die Gärten und den Wald und schenke euch die Früchte der Erde. Er begleite eure Arbeit ,damit ihr in Dankbarkeit und Freude gebrauchet, was durch die Kräfte der Natur und die Mühe des Menschen gewachsen ist. Das gewähre euch der dreieinige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen."

Jürg Stuker 

Stichwort

  • entstanden im Mittelalter: man zog einem drohenden Unwetter unter Glockenläuten und Gebet mit einer Kreuzpartikel, Reliquie oder dem Allerheiligsten entgegen
  • Wettersegen üblicherweise vom 25.4. (Markusfest) bis 14.9. (Fest Kreuzerhöhung)
  • Wettersegen als Schlusssegen der Messe: Messbuch II 566-568
  • Wettersegen als Segensfeier: Benediktionale Nr. 8

Wider-Worte

"Die Segnungen stammen aus einer Zeit, in der dem Menschen die Ursache vieler Naturabläufe und geschichtlicher Prozesse noch nicht erkennbar und zugänglich waren, so dass sich der rückführende Schluss auf Gott als Herrn der Natur und der Geschichte nahelegte und auch rechtfertigte. ... Entsprechend konnte er sich in seiner Welterfahrung und in seinem geschichtlichen Handeln direkt und unvermittelt an Gott um Schutz und Führung wenden, wie dies die Segnungen denn auch mannigfach tun.
Diese Direktheit wird aber zu einer unkritischen Naivität und einer unverantwortlichen Vereinfachung, wenn dem Menschen Möglichkeiten und Instrumente verfügbar sind, die ihm die Aufhellung der Naturvorgänge und die kritische Analyse geschichtlicher und politischer Abläufe ermöglichen und als Aufgabe auferlegen. Jetzt erscheint es als Trägheit und Rückfall, wenn der Mensch nach wie vor die inzwischen erkennbaren Zeitursachen und die aufdeckbare menschliche Verantwortung und Schuld überspringt und nach wie vor direkt Gott dafür namhaft und verantwortlich macht. Segnungen, die noch diesem früheren Glaubensstil verpflichtet sind, erscheinen jetzt als rückständige Unwissenheit gegenüber der Natur und als verschleierte Mystifizierung menschlicher Geschichte. Dass damit Segnungen überhaupt gegenstandslos geworden sind, soll hiermit nicht gesagt sein."

Dietrich Wiederkehr (1976)