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Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Hintergrund

Kirche sein im Feiern und Verstehen

Ort des Buches 1Wort-Gottes-Feier

Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht.

An manchen Orten wird an drei von vier Sonntagen eine "Wort-Gottes-Feier" gehalten. Anderswo ist diese Feier fast unbekannt. Was heisst hier "Gottes Wort feiern"?

Als das II. Vatikanische Konzil auf Drängen von zwei lateinamerikanischen Bischöfen einen Passus zu eigenen Feiern des Wortes Gottes aufnahm, schien das beinahe nur für Diaspora-Gebiete von Bedeutung zu sein: „Zu fördern sind eigene Wortgottesdienste an den Vorabenden der höheren Feste, an Wochentagen im Advent oder in der Quadragesima sowie an den Sonn- und Feiertagen, besonders da, wo kein Priester zur Verfügung steht; in diesem Fall soll ein Diakon oder ein anderer Beauftragter des Bischofs die Feier leiten." (Liturgiekonstitution Nr. 35,4)

Wenn solche Wortgottesdienste als Feiern für eine ganze Pfarrei an Sonn- und Feiertagen jetzt auch in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland stattfinden, ist das ein deutliches Signal für einen dramatischen Wandel. Es kann kein Zweifel bestehen: Die Entstehtung dieser neuen Gottesdienstform setzt einen pastoralen Notfall, den Priestermangel, voraus. Die Versammlung zur Feier der Eucharistie am ersten Tag der Woche gehört seit der Urkirche zum christlichen Glaubensleben. Wo dies nicht möglich ist, besteht eine Notlage. Gleichzeitig darf man nicht übersehen: Das Wort Gottes zu feiern, ist weit mehr als ein „Notfall"! Das nachsynodale Schreiben Verbum Domini von Papst Benedikt XVI. würdigt Wort-Gottes-Feiern deshalb nachdrücklich:

„Die Synodenväter haben alle Hirten aufgefordert, in den ihnen anvertrauten Gemeinden die Wort-Gottes-Feiern zu verbreiten: Sie sind bevorzugte Gelegenheiten der Begegnung mit dem Herrn. Deshalb bringt eine solche Gepflogenheit den Gläubigen großen Nutzen und muss als wichtiges Element der liturgischen Pastoral betrachtet werden.“ (Nr. 65)

Aus der Not geboren, ist eine wertvolle eigenständige Feierform entstanden. Ihre Mitte ist das Wort Gottes als Verkündigung aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments. Dieses Wort hat eine Kraft, die nicht leicht zu überschätzen ist.

Wie Licht in der Nacht

Ein Kanon bringt auf den Punkt, wie das Wort Gottes auf Menschen wirken kann: "Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht; es hat Hoffnung und Zukunft gebracht; es gibt Trost, es gibt Halt in Bedrängnis, Not und Ängsten, ist wie ein Stern in der Dunkelheit." (Rise up Nr. 168; Unterwegs Nr. 41) Was hier über das Wort Gottes gesagt wird, findet sich bereits in der Bibel. Nur einige wenige Beispiele: Gottes Wort ist

    • Licht: „Dein Wort ist meinem Fuss eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade. (Psalm 119,105)
    • Hoffnung: „Sprich nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund." (Matthäus 8,8)
    • Zukunft: „Du hast Worte des ewigen Lebens." (Johannes 6,68)
    • Trost und Halt: „Kamen Worte von dir, so verschlang ich sie; dein Wort war mir Glück und Herzensfreude; denn dein Name ist über mir ausgerufen." (Jeremia 15,16)
    • Stern in der Dunkelheit: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit." (Johannes 1,14)

Das Wort Gottes spielt im ‚hier und heute'

Der Text des Kanon stellt eine Behauptung auf: Der Licht- und Hoffnungscharakter des Wortes Gottes gehört nicht nur zur lange vergangenen biblischen Urzeit – 2000 Jahre und noch viel mehr ist das her. Nein, Gottes Wort ist einfach so, es ist Licht und wirkt wie ein Stern in der Dunkelheit, es hat schon Hoffnung gebracht und es gibt uns immer wieder Trost und Halt. Das Wort Gottes ist heutig. Es ist auch nach all den vielen Jahrhunderten nicht veraltet oder verbraucht.

Woran liegt das? Daran, dass das Wort Gottes nicht nur bedrucktes Papier ist, sondern lebendig, aktiv und sogar schärfer als ein zweischneidiges Schwert (Hebräerbrief 4,12). Von dieser Lebenskraft des Wortes Gottes erzählt der Evangelist Lukas: Jesus ist in der Synagoge in Nazaret und liest beim Gottesdienst aus dem Propheten Jesaja: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze." (Lukas 4,18) Als er die Lesung beendet hat, spricht Jesus in die gespannte Stille: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt." (Lukas 4,21) Warum? Weil Jesus der ist, der den Armen die gute Nachricht bringt und den Blinden das Augenlicht. Oder mit anderen Worten: Weil er das Wort Gottes in Person ist - Licht in der Nacht, Hoffnung, Trost und Halt. Und weil Jesus das nicht nur damals in Nazaret oder Jerusalem war, sondern weil er einfach so ist, weil es zu ihm gehört wie eine unverlierbare Eigenschaft, deshalb gilt: Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, ist er selber bei diesen als das lebendige Wort. Deshalb kann und soll sich immer, wenn im Gottesdienst aus den Schriften gelesen wird, dasselbe ereignen wie in der Synagoge in Nazaret: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt."

Heilsereignis – auch ohne Kommunionspendung

Die Pastorale Einführung ins Messlektionar sagt es so: „Dabei wird der Gottesdienst, der ganz aus dem Wort Gottes lebt, selbst zu einem neuen Heilsereignis. ... Er [Christus] hat dazu aufgefordert, alle Schriften zu ergründen vom ‚Heute' des Ereignisses her, das er selber ist." (Nr. 3) Das gilt nicht nur für die Eucharistiefeier, sondern für jede Verkündigung des Wortes Gottes in der Liturgie - also auch dann, wenn in einer Wort-Gottes-Feier keine Kommunion gespendet wird. Die Bischöfe der deutschsprachigen Schweiz haben sich deshalb - wie auch die Bischöfe in Deutschland und Österreich und wie die meisten Liturgiewissenschaftler - gegen die an sich kanonistisch mögliche Feier mit Kommunionspendung ausgesprochen. Es heisst dazu im liturgischen Buch für die deutschsprachige Schweiz:

"Für die Wort-Gottes-Feier empfehlen deshalb die Bischöfe, dass sie ohne Kommunion gehalten wird. So wird die Einheit dieser liturgischen Form bewahrt und die Bedeutung der Heiligen Schrift betont: die Gegenwart Christi in seinem Wort. Die Spendung der Kommunion vermag die Eucharistiefeier als Auftrag Jesu nicht zu ersetzen." (Pastorale Einführung Nr. 22)

Der Grund dafür, dass sie die Eucharistiefeier nicht ersetzen kann liegt im Stiftungsursprung der Eucharistie als Tun zum Gedächtnis und ihrer Entsprechung in der Liturgie: Jesus nahm das Brot (Gabenbereitung) – dankte (Eucharistisches Hochgebet) – brach es (Brotbrechung) – und gab es den Seinen (Kommunion). Gabenbereitung, Hochgebet und Kommunion gehören vom Ursprung her und in der Feier der Messe zusammen. Dieser ursprüngliche Zusammenhang soll nach Möglichkeit nicht aufgelöst werden, wenngleich im besonderen Fall der Krankenkommunion und Wegzehrung auch davon abgesehen werden kann. Wenn eine Wort-Gottes-Feier doch mit Kommunionspendung verbunden wird, was durchaus häufig passiert, wird in der Deutschschweiz ein Ergänzungsheft mit feierlichen Kommuniongebeten verwendet.

Gottes Wort feiern

Wie geht das, wie geschieht das nach dem liturgischen Buch für die Deutschschweiz? Die Feier hat vier Hauptteile (siehe Randspalte). Die Eröffnung und der Schluss sind kurz, die Wortverkündigung und die Antwort der Feiernden auf das Wort nehmen viel Raum ein, denn das ist die geistliche Mitte der Feier. Christus ist gegenwärtig, wenn aus der Heiligen Schrift verkündet wird (vgl. Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium Nr. 7). Das soll für die Mitfeiernden erfahrbar werden. Seine Präsenz wird in Gestalt des Buches mit den Lesungen, dem Lektionar, symbolisch inszeniert. Vom Ort des Buches (siehe Foto) wird es vor der ersten Lesung zum Ambo getragen und gezeigt. Ein begleitendes Gebet spricht Jesus Christus an: „Sei gegrüsst, du Wort, das der Welt des Anfang gab. Sei gegrüsst, du führst dein Volk durch die Zeit. Sei gegrüsst, du bleibst in Ewigkeit. Sei gegrüsst, Gottes Wort: Wirke in uns.“ Die Mitfeiernden hören ihn im Wort der nun folgenden Lesungen.

Nach der Predigt und einem Lied folgt der zweite Hauptteil der Feier. Wort und Antwort sind die beiden Teile eines Dialogs – auch in der Liturgie, denn sie ist Dialog zwischen Gott und den Menschen. Das Gebet ist eine grundlegende Form der Antwort an Gott: in der Fürbitte, im Vaterunser und – dies ist eine Besonderheit der Wort-Gottes-Feier – in einem entfalteten, feierlichen Lobpreis. Wie im zwischenmenschlichen Dialog die Antwort zuweilen eine zeichenhaft-symbolische Seite hat, wenn wir z.B. jemandem zum Dank die Hand geben, so auch in der Wort-Gottes-Feier. Es gibt unterschiedliche Formen: die Verneigung vor dem Wort Gottes in Gestalt des Buches, eine Kerzendarbringung, den Zuspruch eines biblischen Wortes, ein Taufgedächtnis, ein Bussakt mit Versöhnungszeichen oder auch eine Segensfeier. Die Zeichenhandlungen werden von Mitfeiernden oft als Höhepunkt erlebt. Was sie erfahren durften, das Wort als Licht, Hoffnung, Trost und anderes, verdichtet sich hier. Die Wort-Gottes-Feier hat somit ihre eigene Form gefunden. Sie kann die sonntägliche Eucharistiefeier nicht ersetzen, doch sie ist als Feier des Wortes Gottes etwas Besonderes mit eigenem Wert.

Gunda Brüske

Stichwort

  • neue Feierform eines sonntäglichen Gemeindegottesdienstes (Direktorium "Sonntägliche Gemeindegottesdienste ohne Priester" 1988)
  • liturgisches Buch in der Deutschschweiz: Die Wort-Gottes-Feier am Sonntag (1. Aufl. 2014, 2. Aufl. 2015); in Deutschland und Österreich: Wort-Gottes-Feier. Werkbuch für Sonn- und Festtage 2004.
  • typische Elemente (CH): Prozession mit dem Lektionar, Zeichenhandlungen, feierlicher Lobpreis
  • Vorsteher einer Wortgottesfeier (CH): Diakon, GemeindeleiterIn, PastoralassistentIn, nicht-theologische Laien mit Beauftragung

Praxis-Tipps

Tipps für die Gestaltung

Musikalische Gestaltung

Geistlicher Impuls

"Das Wort Gottes ist Liebesanrede, die uns zu Freundinnen und Freunden Gottes machen will, die uns einlädt zur Gemeinschaft der Freundschaftsliebe mit Gott. Es zielt auf die Teilhabe am Leben Gottes und stiftet sie bereits. Es ist Licht und Leben. Es will unser Herz treffen,Sehnsucht wecken und alle Verhärtungen aufbrechen, in uns wirken und uns verwandeln als einzelne Christinnen und Christen und in der Gemeinschaft der Kirche."

Pastorale Einführung Wort-Gottes-Feier 2014, Nr. 4

Facts

"Was für die Liturgie grundsätzlich gilt, kennzeichnet die Wort-Gottes-Feier im Besonderen: Gottes Wort will die Hörenden in das Gehörte hineinverwandeln. Die Wort-Gottes-Feier als eigenständige Gottesdienstform ist deshalb auch von grosser Bedeutung für das christliche Leben. Ihrer Würde entspricht eine eigene, unverwechselbare Gestalt. Die ganze Feier ist ausgerichtet auf das Hören des Wortes und die Antwort der Mitfeiernden. Gottes Wort feiern heisst: ihm begegnen, sich von ihm verwandeln lassen und antworten durch Zeichen der Verehrung; es heisst: durch Lobpreis und Bitte, Gesang und Gebet Gemeinschaft werden im gehörten Wort, Gottes Frieden weitergeben und in das alltägliche Leben hineintragen. Diesen geistlichen Prozess soll die Wort-Gottes-Feier ermöglichen. Sie entfaltet sich dementsprechend
in vier Schritten: 1. In die Gegenwart Gottes treten (Eröffnung), 2. Gottes Wort hören (Verkündigung), 3. auf das Wort antworten (Zeichenhandlung und Lobpreis), 4. Gottes Wort hinaustragen (Abschluss)."

Pastorale Einführung Wort-Gottes-Feier 2014, Nr. 24

Lesetipp

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Die Wort-Gottes-Feier. Eine Herausforderung für Theologie, Liturgie und Pastoral. Hg. von B. Kranemann. Stuttgart: Verlag Kath. Bibelwerk 2006. 160 S.

Ablauf

Grundform1. In die Gegenwart Gottes treten - Eröffnung
Einzug
Liturgischer Gruss
Litaneigebet

2. Gottes Wort hören - Verkündigung
Prozession mit dem Lektionar
1. Lesung
Antwortpsalm
2. Lesung
Halleluja (Christusruf)
Evangelium
Predigt
Lied

3. Auf das Wort antworten - Zeichenhandlung und Lobpreis
Zeichenhandlung
Lobpreis
Fürbitten
Gebet des Herrn
Friedenszeichen
Lied
Mitteilungen und Kollekte

4. Gottes Wort hinaustragen - Abschluss
Segensbitte
Entlassung und Auszug


Links

Infos zum Feierbuch

Eröffnungsvorschläge für jeden Sonntag, Lesungen, Fürbitten für die Wortgottesfeier