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Musik

Kirche sein in symphonischer Gemeinschaft

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Hostienschale thumbLiedimpuls 10 – Das Geheimnis von Fronleichnam

"Und das Wort, das Fleisch geworden,
schafft durch Wort aus Brot und Wein
Fleisch und Blut zur Opferspeise,
sieht es auch der Sinn nicht ein.
Es genügt dem reinen Herzen,
was ihm sagt der Glaub allein..."

lateinischer Text: Thomas von Aquin (1263/1264)

Katholisches Gesangbuch 219 / 220 / 221 / 222

Das Lied „Preise, Zunge, das Geheimnis“, eines der bekanntesten Fronleichnamslieder, versucht etwas schier Unmögliches: Es übersetzt das Gedicht eines der grössten Theologen des Mittelalters, der sich in poetischer Dichte mit Wortspielen diesem unsagbaren Geheimnis nähert. Der Kirchenlehrer Thomas von Aquin (1225–1274) schuf es in päpstlichem Auftrag für die Liturgie des 1264 neu in der gesamten katholischen Kirche eingeführten Fronleichnamsfestes. Es gibt viele Übersetzungen und Übertragungen dieses lateinischen Hymnus, der sich ebenfalls im KG unter der Nummer 221 findet. Das Schweizer KG entschied sich für die Übertragung des Sprachforschers und Dichters Heinrich Bone (1813–1893). Wie Thomas ist ihm wichtig, das unsagbare Mysterium der Selbsthingabe Gottes in seinem Wort Jesus Christus zu besingen, schon bei dessen Geburt, dann aber beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern und schliesslich am Kreuz. Und wie Thomas versucht auch er in der meisterhaften vierten Strophe mit den Begriffen Wort und Fleisch zu jonglieren: das fleischgewordene Wort, das wahre Brot schafft durch sein Wort aus Brot Fleisch. Und beide betonen, dass dies nicht materialistisch verstanden werden darf, denn sichtbar, berührbar und schmeckbar bleibt weiterhin nur Brot. Der Sinn lässt uns im Stich, schreibt Thomas im Original. Nicht die Hände, nicht die Augen und nicht der Mund, sondern nur der Glaube kann im Brot und im Wein den Leib und das Blut Christi erkennen.

Allerdings sind zwei Verse der fünften Strophe in der Übertragung Heinrich Bones problematisch: „Dieser Bund [er meint den Bund in Jesu Blut gemäss Lk 22,20] wird ewig wären / und der alte hat ein End.“ Hier muss kritisch gefragt werden, ob wir heute noch singen können, dass durch den Neuen Bund in Christi Blut der Alte Bund Gottes mit Israel ein Ende hat. Im Römerbrief wird betont, dass Gnade und Berufung, die Gott gewährt, unwiderruflich sind (Röm 11,29). Thomas von Aquin spricht im Original nicht vom Bund, sondern davon, dass ein altes „Zeugnis“ (documentum) einem neuen „Brauch“ (ritus) weicht. So könnte man die fünfte Strophe in der Praxis (vor allem, wenn sie von einem Chor gesungen wird), durch folgende Übersetzung von Liborius O. Lumma im neuen Gotteslob (Nr. 493) ersetzen:

„Lasst uns dieses grosse Zeichen / tiefgebeugt nun beten an. /
Altes Zeugnis möge weichen, / da der neue Brauch begann. /
Was die Sinne nicht erreichen, / nehme doch der Glaube an.“

Das Lied zum Hören auf Youtube (gregorianisch)

Martin Conrad