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Kirche sein in Ereignissen und Entwicklungen

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Apostolisches Schreiben "Desiderio desideravi"
über die liturgische Bildung des Volkes Gottes

Mit dem am 29.6.2022 veröffentlichten Apostolischen Schreiben Desiderio desideravi „über die liturgische Bildung des Volkes Gottes“ möchte Papst Franziskus dazu beitragen, „unser Staunen über die Schönheit der Wahrheit des christlichen Feierns neu zu entfachen, uns an die Notwendigkeit einer authentischen liturgischen Bildung zu erinnern und die Bedeutung einer Kunst des Feierns zu erkennen, die im Dienst der Wahrheit des Pascha-Mysteriums und der Teilnahme aller Getauften steht, jeder mit der Besonderheit seiner oder ihrer Berufung.» (Nr. 62)

Dazu nimmt er immer wieder auf die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium des Zweiten Vatikanischen Konzils Bezug, betont erneut die Einheit des einen nachkonziliaren römischen Ritus, schaut durchaus kritisch auf die eine oder andere Haltung von Mitfeiernden wie Vorstehenden (ars celebrandi) und gibt Romano Guardinis Ansatz von liturgischer Bildung viel Raum (auch über die ausgewiesenen Zitate hinaus). Franziskus unterscheidet begrifflich zwischen «Bildung zur Liturgie hin und die Bildung von der Liturgie her» (Nr. 34), was sich sachlich an Guardini anschliesst, dort bei ihm aber nicht so formuliert ist. Nur wenige, insbesondere geistliche Aspekte seien herausgegriffen (eine gute Zusammenfassung bietet Radio Vatican).

Das die Intention des Schreibens benennende Zitat zeigt, dass liturgische Bildung hier in einen grossen geistlichen Horizont gestellt wird, was sich der «Bildung von der Liturgie her» zuordnen lässt. Der Duktus ist zuweilen meditierend, die Sprache teils metaphorisch, der Tenor teils theologisch, zuweilen kulturkritisch.

Das Staunen über die Schönheit der Liturgie richtet sich zutiefst auf Christus selbst, auf seine Sehnsucht nach dem Menschen und damit auf das Geschehen im Abendmahlssaal: «Mit großer Sehnsucht (desiderio desideravi) habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen.» (Lk 22,15, gleich dreimal zitiert) Dieses Verlagen erfüllt auch den Auferstandenen, der «auch heute, wie beim letzten Abendmahl, das Pascha mit uns essen will. Der Auferstandene ist also der Protagonist …» (Nr. 57). Die Begegnung mit Jesus gehört nicht der Vergangenheit an, sie vollzieht sich im Heute der Feier, was der Liturgie ihre herausragende Bedeutung als Quelle und Höhepunkt gibt.

Franziskus, der die Rolle des Priesters ausführlicher behandelt, formuliert im Anschluss daran eine geistliche Spitzenaussage: «Der Priester selbst ist überwältigt von dem Wunsch nach Gemeinschaft, die der Herr für alle hat: Es ist, als stünde er zwischen dem in Liebe brennenden Herzen Jesu und dem Herzen jedes Gläubigen, dem Objekt seiner Liebe. Der Eucharistie vorzustehen bedeutet, in den Schmelzofen der Liebe Gottes einzutauchen.» (Nr. 57) Das würde zur Überforderung, wenn der Papst nicht das Wirken des Geistes als Möglichkeit, den Vorsitz zu führen, benennen und die formende Kraft der gefeierten Liturgie (vgl. Nr. 56, 60) ins Spiel bringen würde.

Dieser Aspekt der Formung oder Bildung durch die Liturgie gilt für alle, die feiern (vgl. Nr. 40), z. B. in leib-seelischer Integrität durch «Gesten und Worte, die unsere innere Welt in Ordnung bringen, indem sie uns Gefühle, Einstellungen und Verhaltensweisen erleben lassen.» (Nr. 51) Der Papst führt das nicht weiter aus, was durchaus lohnen würde: Wie formt z. B. das fürbittende Gebet unser Verhalten, wie der Friedensgruss?

Eine positive Überraschung ist die grosse Wertschätzung des Schweigens und der Stille im Abschnitt über die ars celebrandi: «Die liturgische Stille … ist das Symbol für die Anwesenheit und das Wirken des Heiligen Geistes, der die gesamte feierliche Handlung belebt, weshalb sie oft den Höhepunkt einer rituellen Handlung darstellt. Gerade weil sie ein Symbol des Geistes ist, hat sie die Kraft, sein vielgestaltiges Wirken auszudrücken. … sie weckt das Hören auf das Wort und das Gebet; … sie zeigt jedem in der Vertrautheit der Gemeinschaft, was der Geist im Leben wirken will, um es dem gebrochenen Brot gleich zu machen. Deshalb sind wir aufgerufen, die symbolische Geste des Schweigens mit äußerster Sorgfalt auszuführen: In ihr gibt uns der Geist Gestalt.» (Nr. 52)

Apostolisches Schreiben "Desiderio desideravi" über die liturgische Bildung des Volkes Gottes (PDF)