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Praxis

Kirche sein mit aktiver Beteiligung

Praxis

Kirche sein mit aktiver Beteiligung

Birgit jeggle merz thumbHören auf Gott, der spricht

„Liturgie und Leben": Das Wort Gottes und die Wort-Gottes-Feier gehören dazu. Birgit Jeggle-Merz, Professorin für Liturgiewissenschaft in Chur und Luzern, hat dazu vier kurze Artikel für die Zeitschrift „Christ in der Gegenwart" geschrieben. Dieses können bei einführenden Worten in der Feier verwendet werden, Anregungen für Predigten bieten, als Impuls in Gruppen dienen und vieles andere mehr.

Wort und Antwort

Der Gottesdienst als Dialog zwischen Gott und Mensch hat als Liturgie eine Kernzelle, was in allen Gottesdiensten zu finden ist, gleich ob es sich um eine Hochform handelt oder um eine schlichte Feier. Wenn die Kernzelle fehlt, ist eine liturgische Zusammenkunft von Menschen auch nicht als Gottesdienst zu fassen.
Das Zweite Vatikanische Konzil betonte: "Von grösstem Gewicht für die Liturgiefeier ist die Heilige Schrift" (Liturgiekonstitution, Art. 24). Sie ist die gemeinsame Urkunde des Glaubens und des kirchlichen Lebens. Es ist Gott selbst, der in der Wortverkündigung zu seinem Volk spricht und sich darin begegnen lässt, ungeachtet dessen, dass in der Lesung die Rede des Ijob, ein Brief des Apostels Paulus oder die Frohbotschaft nach Matthäus vorgetragen wird. Die Gemeinde nimmt dieses Wort auf, meditiert es und fragt, was es in der Lebenssituation bedeutet, um dann Gott, der im Wort der Schrift auf sie zukommt, eine Antwort zu geben. Das Hören fordert zur Antwort heraus.
Diese Antwort ist vielfältig: Dank, Lob, Bitte, Klage. Das Verkünden oder Lesen der Schrift als Ort der Begegnung mit Gott lädt also erst zum Gebet ein, ja ist geradezu der eigentliche Auslöser fürs Beten. Dies entspricht dem "Gesetz des Dialogs" in Liturgie und privatem Gebet, wie es der Benediktiner Adalbert de Vogüé einmal beschrieben hat. Ehe man sich betend an Gott richtet, hört man das Wort, das Gott den Menschen sagt. Das Gebet des Menschen ist somit mehr Antwort als Anrede.
In diesem Zueinander von göttlichem Heil und menschlichem Lob(preis) / Dank(sagung), von Gottes Wort und menschlicher Antwort vollzieht sich das, was man als "Dialog zwischen Gott und Mensch" bezeichnen kann. Dieser "heilige Austausch" ist Grundlage jeder liturgischen Feier.

Aus der Wochenzeitschrift CHRIST IN DER GEGENWART Nr. 52/2011, Freiburg i. Br., www.christ-in-der-gegenwart.de

Hören auf den Gott, der spricht

Alle gottesdienstlichen Feiern haben einen unverzichtbaren Hauptteil: die Verkündigung des Wortes Gottes. Denn "der Gottesdienst, der ganz aus dem Wort Gottes lebt, [wird] selbst zu einem neuen Heilsereignis", wie es in der "Pastoralen Einführung ins Messlektionar" heisst. Das Hören des Wortes bildet daher auch das Fundament jeder weiteren gottesdienstlichen Handlung. Es führt den Christen zur Feier der Eucharistie: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" (Lk 22,19), zum Empfang der Taufe: "Die sein Wort annahmen, liessen sich taufen" (Apg 2,41). Es ruft zur Umkehr: "Kehrt um und glaubt an das Evangelium" (Mk 1,15) und weckt die Sehnsucht, das ganze Leben von Gott umfangen zu wissen: "Dein Wort ist Licht und Wahrheit, es leuchtet mir auf all meinen Wegen" ("Gotteslob" Nr. 630,4 und "Kirchengesangbuch" Nr. 273, nach Psalm 119,105).
Das Verkünden der Schrift im Gottesdienst und das persönliche Lesen des Wortes Gottes sind als Eintritt in die Gegenwart Gottes zunächst Hören. Hören auf den Gott, der sich als Redender kundgetan hat: Bei der Erschaffung der Welt und des Menschen steht sein Wort am Anfang der Geschichte: "Gott sprach" (Gen 1,3.6). Es kündigt die Inkarnation des Sohnes als Mitte der Geschichte an: "Und das Wort ist Fleisch geworden" (Joh 1,14), und es schliesst die Geschichte mit dem Versprechen der Begegnung am Ende der Zeiten: "Siehe, ich komme bald" (Offb 22,20). Das Hören ist selbst schon ein geistlicher Akt, der den Hörenden ins Gebet, also in das Gespräch mit dem redenden und durch sein Reden handelnden Gott, führt. Bei der Verkündigung im Gottesdienst geht es nicht um ein reines Verlesen altehrwürdiger Texte oder um eine Weitergabe von Informationen. Ziel ist das Gestaltwerden des Wortes Gottes in seiner Kirche. Auf diesem Fundament steht jede Form von Gottesdienst.

Aus der Wochenzeitschrift CHRIST IN DER GEGENWART Nr. 1/2012, Freiburg i. Br., www.christ-in-der-gegenwart.de

Wort-Gottes-Feier

Heute ist von "Wort-Gottes-Feier" die Rede, wo es noch vor wenigen Jahren "Wortgottesdienst" hiess. In dieser Benennung kommt das wiedergewonnene Bewusstsein für den Stellenwert des Wortes Gottes in der Liturgie überhaupt zum Ausdruck. Die Kirche greift auf die Erfahrung und den Glauben der frühen Kirche zurück. Den Kirchenvätern des Ostens und des Westens war die Schrift Lebens-Mittel, für sie lässt das Wort Gottes als objektives Heilshandeln Gott selbst präsent werden: "Was die leibliche Speise für die Erhaltung unserer Kraft, das ist die Lesung der Heiligen Schrift für die Seele" (Johannes Chrysostomus); oder: "So essen die Christen jeden Tag das Fleisch des Lammes, indem sie das Fleisch des Wortes geniessen" (Origenes). In einer Wort-Gottes-Feier geht es ausdrücklich um das Gestaltwerden des Wortes in der Liturgie: Da wird nicht etwas einst Gesagtes wiederholt, sondern hier und jetzt ergeht Gottes Wort durch jene, die es sprechen, an jene, die es hören. Seine Mahnung, seinen Trost, seine Belehrung, seine Weisung spricht Gott auf diese Weise den Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen zu. Das Wort Gottes steht ganz im Zentrum, für dieses Wort ist Zeit, ihm zuliebe sind die Versammelten da.
Gegenüber dem Begriff "Wortgottesdienst" hat die Bezeichnung "Wort-Gottes-Feier" den grossen Vorteil des Zusatzes "Feier": Hier geht es nicht um Katechese, nicht um Bibelstunde und Belehrung, sondern um memoria, um Gedächtnis, um Vergegenwärtigung. Rituelle Elemente unterstreichen, dass Wortverkündigung im wahrsten Sinn ein Begegnungsereignis zwischen Gott und Mensch darstellt, das im Rahmen einer Feier geschieht: Weihrauch, Kerzen, ein wertvolles Buch, eine Prozession mit dem Buch, verschiedene Gesänge, musikalische Gestaltung, Gebärden, Gesten und Zeichenhandlungen.

Aus der Wochenzeitschrift CHRIST IN DER GEGENWART Nr. 2/2012, Freiburg i. Br., www.christ-in-der-gegenwart.de

Klangleib Christi

In dem Apostolischen Schreiben "Verbum Domini" ("Das Wort des Herrn"), das Papst Benedikt XVI. 2010 als Ergebnis der Bischofssynode über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche veröffentlicht hat, fordert er mit den Synodenvätern alle Hirten auf, die Wort-Gottes-Feiern zu verbreiten: "Sie sind bevorzugte Gelegenheiten der Begegnung mit dem Herrn" (Art . 65). Zu vermeiden sei jedoch eine Verwechslung mit der Eucharistiefeier. Dieses Votum ist ein Appell, dem Eigenwert dieser Gottesdienstform in seiner Gestaltung Rechnung zu tragen. Die Praxis von Wort-Gottes-Feiern ist vielerorts in dieser Hinsicht neu zu überprüfen. Es ist zu fragen: Wie kann eigentlich das Besondere dieser Gottesdienstform Gestalt gewinnen?
Das geistliche Geschehen der Wort-Gottes-Feier ist die Begegnung des Menschen mit dem ihn ansprechenden und ihm Heil zusagenden Gott, der in der Geschichte rettend und heilend gehandelt hat. Auf Seiten des Menschen entspricht diesem Geschehen eine doppelte Grundhaltung: das Hören des Wortes Gottes und das Verweilen bei diesem Wort. Deshalb besteht die Grunddynamik jeder Wort-Gottes-Liturgie im Dreiklang von Hören-Verweilen-Antworten. Häufig findet sich dem entsprechend in den Pfarrgemeinden folgende Grundstruktur: Lesung – (Antwort-)Gesang – Gebet.
In Reinform trifft man diese Gestalt in der Ostervigil an. Auf jede Lesung aus dem Alten Testament folgt dort ein Gesang, der die Hörenden zum Verweilen beim Gehörten einlädt. So eignet die Gemeinde sich singend das Wort Gottes an, indem es in ihr nachklingt und zum Gebet als Antwort auf Gottes Wort hinführt. Der Gottesdienst bildet so etwas wie den Klangleib, in dem das Wort zum Ereignis wird. Mitten in der Gemeinschaft der Getauften spricht der so anwesende Christus zur Gottesdienstgemeinde und wendet sich jedem Einzelnen zu.

Aus der Wochenzeitschrift CHRIST IN DER GEGENWART Nr. 3/2012, Freiburg i. Br., www.christ-in-der-gegenwart.de

Stand: 25.02.2015